Andy Warhol

A Factory

3. 10. 1998 — 10. 1. 1999

Infos

Das Kunst­mu­seum Wolfsburg zeigt vom 3. Oktober 1998 bis zum 10. Januar 1999 die Ausstel­lung „Andy Warhol. A Factory“, welche mit über 700 Exponaten erstmals einen Überblick über das gesamte multi­dis­zi­pli­näre Spektrum von Warhols Werk sowie der Mitglieder und Gäste seiner Factory gibt. Im Jahr des siebzigsten Geburts­tags des Künstlers bietet die Ausstel­lung die seltene Gelegen­heit, das scheinbar so bekannte Werk Warhols neu zu unter­su­chen und die verschie­denen Bereiche seiner künst­le­ri­schen Aktivi­täten mitein­ander in Beziehung zu setzen.

Mit dem Werk „Double Be a Somebody with a Body“ aus dem Jahr 1985/86 ist Andy Warhol in der Sammlung des Kunst­mu­seums vertreten und ein größeres Projekt mit dem Künstler stand seit der Eröffnung immer ganz oben auf der Wunsch­liste des Ausstellungsprogramms.

Gijs van Tuyl, der Direktor des Kunst­mu­seums Wolfsburg, schreibt zur Aktua­lität Warhols: „Warhols Werk haftet in allen Bereichen etwas Jugend­li­ches und Frisches an, als hätten wir es mit einem jungen Künstler von heute zu tun. Seine Kunst provo­ziert und wirft noch immer Fragen auf, weil er fast keine Antworten gab, sondern visuelle Fakten sammelte, isolierte, neben­ein­ander stellte und bildne­risch inten­si­vierte, ohne jede Form von Kommentar.“

Andy Warhol gilt heute nicht nur als der Protago­nist der Pop Art und als unerschöpf­li­cher Produzent seriell gefer­tigter Starpor­träts, sondern auch als Beobachter und Reprä­sen­tant des Zeital­ters der Massen­kultur. Sein Name verbindet sich mit dem Mythos gesell­schaft­li­chen Aufstiegs, mit der Stili­sie­rung eines Künstlers zum Superstar und der Media­li­sie­rung seines künst­le­ri­schen Schaffens. Aus Andrew Warhola, dem Kind osteu­ro­päi­scher Einwan­derer, wurde nach seiner Ausbil­dung am Carnegie Institute of Techno­logy in Pitts­burgh und seiner Übersied­lung nach New York Andy Warhol und damit eine Art Trademark der ameri­ka­ni­schen Pop Art. Das öffent­liche Interesse beschränkte sich nicht auf seine Kunst­werke, sondern bezog seine Person und seine Umgebung mit ein. Ähnlich bekannt wie seine Werke sind das Konterfei des Künstlers, seine Perücke und die insze­nierte Scheu vor den Medien, die er stets jedoch geschickt für seine Selbst­dar­stel­lung zu nutzen verstand. Trotz dieser Medien­prä­senz, seines Bekannt­heits­grades und der reich­hal­tigen Zeitzeug­nisse, begegnet uns Warhol als entrückte mytho­lo­gi­sche Gestalt, die hinter einem Schutz­schild aus Legenden nur schwer zu fassen ist.

Die Wolfs­burger Ausstel­lung „Andy Warhol. A Factory“, die in Zusam­men­ar­beit mit dem New Yorker Solomon R. Guggen­heim Museum erarbeitet und von Germano Celant kuratiert wurde, unter­sucht das Phänomen dieses exzen­tri­schen Künstlers und der Mitglieder seiner Factory, die ebenso reichlich Stoff zur Legen­den­bil­dung lieferten.

Warhol nannte seine Ateliers, die er von 1963 bis 1974 betrieb, Factories. Es war dies nicht nur eine Bezeich­nung, die auf die serielle Produk­tion seiner Siebdrucke abhob oder auf die Repeti­tion immer gleicher Motive in unter­schied­li­chen Größen und Farben, es war auch der Inbegriff einer kreativen kollek­tiven Keimzelle im Herzen New Yorks, die bildende Kunst, Fotografie, Film, Mode, Video, Fernsehen, Musik und Werbung hervor­brachte. Die Factory war Atelier und Filmstudio aber auch ständiger Treff­punkt der Under­ground Bohemiens, die dort zu jeder Tages- und Nachtzeit ein- und ausgingen. Der Titel der Ausstel­lung steht nicht nur für das Warhol’sche Atelier per se, sondern vielmehr setzt er Warhol und dessen künst­le­ri­sche Produk­ti­ons­weise mit der indus­tri­ellen Fertigung in einer ‚Fabrik‘ gleich. Der größte Teil der Wände in der ersten Factory war mit Alumi­ni­um­folie tapeziert, Möbel und Fußboden waren silbern gestrichen.

Zufäl­liges Durch­ein­ander und ernst­haf­tere Tätigkeit wurden begleitet vom Brüllen einer bis zum Anschlag aufge­drehten Stereo­an­lage. Seit Warhols Bekannt­schaft mit Velvet Under­ground, diente die Factory auch noch als Probenraum.

Gezeigt werden Grafiken, Zeich­nungen, Publi­ka­tionen und kommer­zi­elle Auftrags­ar­beiten, die „Disasters“ und „Flowers“, die „Celebri­ties“ und die „Ladies & Gentlemen“, „Oxida­tions“ und Rorschach-Bilder und natürlich seine Selbst­por­träts. Eine Auswahl der Filme Warhols wird in einem eigenen Kino präsen­tiert. Aus seinem Gesamt­werk von rund 70 Filmen hat John Hanhardt, Senior Curator Film & Media Arts am Guggen­heim Museum, etwa 12 Filme ausge­wählt, die deutlich machen, warum Warhol die ameri­ka­ni­sche Filmkritik und ‑ästhetik so nachhaltig inspi­riert hat und er auch als progres­siver Filmschöpfer Weltruhm erlangte. Die Filmaus­wahl deckt die Zeit von 1963 bis 1968 ab und beinhaltet unter anderem Filme wie „Tarzan and Jane Regained…Sort Of“ (1963), „Kiss“ (1963/64), eine Auswahl der „Screen Tests“ (1963–66) und „Horse“ (1965). Jeweils im Wochen­rhythmus werden zweimal täglich wechselnde Programme gezeigt.

Archiv­ma­te­ria­lien, Fotose­rien, Plakate und Sound­in­stal­la­tionen von Velvet Under­ground und Original-State­ments von Andy Warhol ergänzen das faszi­nie­rende Gesamt­werk. Für die Ausstel­lungs­ar­chi­tektur in Wolfsburg zeichnet der New Yorker Architekt Gaetano Pesce verant­wort­lich. In der Lesega­lerie des Museums wurde eine kleine Video Lounge einge­richtet, in welcher Dokumen­tar­filme über Andy Warhol und die Factory sowie zeitgleich entstan­dene Under­ground-Filme gezeigt werden.

Nach seiner Premiere im Kunst­mu­seum Wolfsburg wird die Ausstel­lung in der Kunst­halle Wien, dem Palais des Beaux-Arts in Brüssel, dem Guggen­heim Museum in Bilbao und in der Fundaçao de Serralves in Porto gezeigt, bevor sie zum Abschluss der Tournee im Solomon R. Guggen­heim Museum, New York, präsen­tiert wird.

Katalog
Andy Warhol. A Factory
Text von Germano Celant
14 x 19,5 cm, 632 S., 196 s/w und 411 farbige Abb.
Cantz Verlag, Ostfil­dern 1998
ISBN 3–7757-0773–5
vergriffen