Chantal Akerman's D'Est

Bordering on Fiction

7. 9. 1996 — 19. 1. 1997

Infos

Wenn wir an Film denken wird unsere Vorstel­lung unwill­kür­lich von der alltäg­li­chen Praxis der immer aufwen­di­geren und spekta­ku­lären Hollywood-Produk­tionen überla­gert; wenn wir im Minutenst­ak­kato das allabend­liche Fernseh­pro­gramm nach Wunsch­bil­dern durch­forsten, begleitet uns eine unerfüll­bare Sehnsucht. Dabei kann doch gerade das Medium Film den Betrachter in die großen Dramen, Freuden, Emotionen und Stimmungen entführen, weil Gefühle berührt und Lebens­si­tua­tionen beschrieben werden, die über jede Sprach- oder Kultur­bar­riere univer­sell und erhaben sind.

So werden wir im Kino oder vor dem Monitor, obwohl nur stille Beobachter, im übertra­genen Sinn auch immer Mithan­delnde und Mitfüh­lende. Noch so entfernte Geschichten und Bilder vermit­teln über die Schnitt­stelle der eigenen, assozi­ier­baren Erinne­rungen unmit­tel­bare Betrof­fen­heit. Anders als Malerei oder Fotografie, die immer nur Moment­auf­nahmen sein können, zeigt uns der Film immer auch noch den Augen­blick danach, das nächste Bild. Bewegung, Mimik, Gesten und die Erfahrung eines Zeitab­laufes lösen die Distanz des Außen­ste­hens auf.

Wenn wir an Film denken wird unsere Vorstel­lung unwill­kür­lich von der alltäg­li­chen Praxis der immer aufwen­di­geren und spekta­ku­lären Hollywood-Produk­tionen überla­gert; wenn wir im Minutenst­ak­kato das allabend­liche Fernseh­pro­gramm nach Wunsch­bil­dern durch­forsten, begleitet uns eine unerfüll­bare Sehnsucht. Dabei kann doch gerade das Medium Film den Betrachter in die großen Dramen, Freuden, Emotionen und Stimmungen entführen, weil Gefühle berührt und Lebens­si­tua­tionen beschrieben werden, die über jede Sprach- oder Kultur­bar­riere univer­sell und erhaben sind.

So werden wir im Kino oder vor dem Monitor, obwohl nur stille Beobachter, im übertra­genen Sinn auch immer Mithan­delnde und Mitfüh­lende. Noch so entfernte Geschichten und Bilder vermit­teln über die Schnitt­stelle der eigenen, assozi­ier­baren Erinne­rungen unmit­tel­bare Betrof­fen­heit. Anders als Malerei oder Fotografie, die immer nur Moment­auf­nahmen sein können, zeigt uns der Film immer auch noch den Augen­blick danach, das nächste Bild. Bewegung, Mimik, Gesten und die Erfahrung eines Zeitab­laufes lösen die Distanz des Außen­ste­hens auf.

Die Filme der 46-jährigen, belgi­schen Regis­seurin Chantal Akerman operieren mit genau diesen klassi­schen Stilmit­teln. In maßvollem Tempo und ruhigem Blick setzt sie das alltäg­liche Leben in Bewegung und erobert so die Faszi­na­tion des großen Films zurück. Bei der nach San Francisco, Minnea­polis, Paris, Brüssel und Valencia nun in Wolfsburg gezeigten Filmin­stal­la­tion „Bordering on Fiction. Chantal Akerman’s D’Est“ verzichtet sie auf einen offen­sicht­li­chen Plot, einen zusam­men­hän­genden Handlungs­ab­lauf, um die Geschichte über den Fall der Berliner Mauer, den Zusam­men­bruch der Blöcke und die Auflösung der Sowjet­union in sinnlich lyrische Bilder zu übersetzen. „Ich möchte eine große Reise durch Osteuropa machen, solange noch Zeit ist. Nach Russland, Polen, Ungarn, in die Tsche­cho­slo­wakei, in die ehemalige DDR und zurück nach Belgien. Ich möchte dort in meinem Dokumen­tar­stil, der an Fiktionen grenzt, alles filmen. Alles was mich berührt. Gesichter, Straße­n­enden, Autos, die vorüber­fahren, Bahnhöfe und Ebenen, Flüsse und Meere, Ströme und Bäche, Bäume und Wälder. Felder und Fabriken, und wieder Gesichter, Nahrungs­mittel, Innen­räume, Türen, Fenster, Essens­vor­be­rei­tungen. Männer und Frauen, Junge und Alte, die vorüber­gehen oder stehen­bleiben, sitzend oder stehend, manchmal sogar liegend. Tage und Nächte, der Regen und der Wind, der Schnee und der Frühling.“

1992 reiste Chantal Akerman mit einer kleinen Crew durch die ehemalige DDR nach Polen und später nach Russland. Der aus diesem Material entstan­dene und 1993 abgeschlos­sene, quasi-dokumen­ta­ri­sche Film D’Est (Vom Osten) wurde auf den bedeu­tendsten Filmfes­ti­vals und im Fernsehen gezeigt und bildet den zentralen Bestand­teil der dreiglied­rigen Instal­la­tion im Kunst­mu­seum Wolfsburg. In der zweiten Raumse­quenz sind aus Video­mo­ni­toren acht Tripty­chen, aufgebaut, auf denen parallel eine Collage dieses Films aus Szenen, ausge­suchten Kamera­fahrten, Sprachen, Landschaften, Musik und Porträts, zu einem visuell-akusti­schem Environ­ment verschmelzen. In einem dritten Raum befindet sich nur ein einziger Monitor, der uns Chantal Akerman zeigt, die Passagen der Bibel und ihre eigenen Text über den Film rezitiert.

Chantal Akerman steigert durch diese Instal­la­tion vom reinen Film, über die vibrie­rende und irisie­rende Collage, hin zur Konzen­tra­tion und Andacht ihrer Stimme, die Inten­sität der Empfin­dungen zu einem Thema, das Europa und die Welt nachhaltig verändert hat. Jüngste Geschichte wird so zu einer überra­schend kraft­vollen und zutiefst humanen Sinnlich­keit, die den Betrachter mit der Präsenz seiner eigenen Erinne­rungen umfängt. Und genau das ist FILM.

Katalog:
Bordering on Fiction. Chantal Akerman’s D’Est
Texte von Catherine David, Kathy Halbreich, Bruce Jenkins, Michael Tarantino und Gijs van Tuyl
13,5 x 21 cm, 92 S., 77 s/w Abb.
Wolfsburg 1996
vergriffen